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Dienstag, 17. März 2009

Nach dem Amoklauf in Winnenden: Morden mit Goethe, Hesse und Poe?

Für Amokläufe gibt es strenge, ungeschriebene Regeln. Diese gelten nicht nur für die Tat selbst, sondern auch für die Reaktionen der Presse, der Politiker, der »Experten« und »der Öffentlichkeit«. Visuell hat sich für einen Amoklauf in den Medien zudem das Bild des langhaarigen weiblichen weinenden Teenys durchgesetzt. Zum Standard gehört mittlerweile auch die Ankündigung der Tat im Internet.

Nach den Ereignissen in Winnenden wird die Schuld erwartungsgemäß bei Computerspielen (»Killerspielen«) gesucht. „Dass ein männlicher Jugendlicher Counterstrike auf seinem Rechner hat, dürfte heutzutage mit fast 100%iger Sicherheit der Fall sein.

Dass die modernen Medien schuld sind und dass sie schlimmer eingeschätzt werden als die »alten« Medien davor, ist nichts Neues. Früher galten selbst Bücher als Nahrung für das Böse. Unter dem Titel »Morden mit Goethe, Hesse und Poe?« schrieb Johannes Näumann bereits 2002 über dieses Phänomen einen Artikel für das Literatur-Café. Anlässlich des Amoklaufs in Winnenden haben wir ihn nochmals durchgelesen und festgestellt, dass man nur den Tatort und den Namen des Täters ändern muss. Jetzt können Sie dies im Artikel sogar selbst mit einem Mausklick erledigen. Der Rest ist auch 7 Jahre danach noch topaktuell.“ weiterlesen

Quelle: http://www.literaturcafe.de/

Wir haben früher keine Gewaltvideos gesehen, Gewalt kam auch im Fernsehen kaum vor, aber wir haben Bücher gelesen, die dem sicher nicht nachstehen, ich denke nur an die vielen Kriegsromane wie Norman Mailers „Die Nackten und die Toten“. Wir konnten uns auch keine Pornovideos ausleihen, dafür gab es genügend Heftchen, die in der Klasse kursierten und an Deutlichkeit nicht zu überbieten waren. Über manche Passagen, wie zum Beispiel in "Casanova" (wie das Buch genau hieß, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur, dass wir es begeistert lasen), diskutierten wir, wenn wir sie nicht verstanden (und wurden so nebenbei auch aufgeklärt). Viele Romane lasen wir nur wegen gewisser „Stellen“, wie Verdammt in alle Ewigkeit“.

Wenn man in der Schule den Film "Bei Nacht und Nebel" sehen musste, konnte einen eh nichts mehr erschüttern.

Unsere Eltern wussten auch nicht, was wir lasen (oft genug taten wir das unter der Bettdecke), und hätten sie es gewusst, wären sie ebenso entsetzt gewesen wie die Eltern heute über die Computerspiele ihrer Kinder. Wir hätten uns das nicht verbieten lassen und hätten auch sicher nicht mit ihnen darüber diskutiert. Kinder und Jugendliche kommen immer an solche Medien, weil sie neugierig sind, weil das Unbekannte, das Verbotene reizt, ob es nun Bücher, das Fernsehen, das Internet oder Videos sind. Mein Vater hatte einen Teil des Bücherschranks abgeschlossen, aber natürlich waren die verbotenen Bücher die interessantesten Bücher für uns alle, am besten war es, wenn sie auf dem Index standen.

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