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Mittwoch, 27. März 2013

Zitat des Tages: Kafka über einen „schrecklichen Druckfehler“

Sehr geehrter Herr Verleger!

Hier schicke ich postwendend die Korrektur für die „Arcadia“* zurück. Ich bin glücklich, daß Sie mir noch die zweite Korrektur geschickt haben, denn auf Seite 61 steht ein schrecklicher Druckfehler: „Braut“ statt „Brust“.
Mit bestem Dank Ihr herzlich ergebener Dr. F. Kafka

Franz Kafka an den Verlag Kurt Wolff am 8. III. 12 [1913]

(In Franz Kafka: Briefe 1902-1924. S. Fischer 1966, S. 114)

* Kafka meint damit seine Erzählung Das Urteil, die 1913 in Arkadia. Ein Jahrbuch für Dichtkunst, hrsgg. von Max Brod, erschien. Die – korrigierte – Seite können Sie sich hier anschauen. Der Druckfehler wäre wirklich schrecklich gewesen.

Sonntag, 17. Februar 2013

Gedicht der Woche: „Ich wünsch mir nichts als ein hohes Schiff“ (und ein kleiner Ausflug in die unendlichen Weiten des Universums)


„Ich wünsch mir nichts als ein hohes Schiff und die Sterne über mir.
Dann kannst du den Wind in deinem Rücken spüren und das Rauschen der See unter dir.
Und auch wenn du den Wind weglässt und das Wasser, es ist das Gleiche.
Du hast ein Schiff, du fühlst es, und die Sterne sind über dir“,

zitiert Captain* James T. Kirk (William Shatner) in Star Trek: Raumschiff Enterprise, Folge 2.24 (53), Computer M5 (The Ultimate Computer), die ersten Verse eines Gedichts, als ihm sein Freund, der Schiffsarzt Leonard McCoy, einen Drink ins Quartier bringt mit den Worten „Ich bin zwar nur ein Pillendreher, aber McCoys munteren Magentröster kennt man bis zum Orion“, nachdem ihm seine Befähigung als Raumschiffkapitän nach dem erfolgreichen Einsatz des Computers abgesprochen wurde.

Und viele Jahre später, im Jahr 2287, zitiert er in Star Trek 5 – Am Rande des Universums (Star Trek V: The Final Frontier) beim Anblick seines Schiffes in der Raumfähre auf dem Weg zur Enterprise:

„Nichts will ich als ein schlankes Schiff und den weisenden Stern in der Höh’“

im Beisein von McCoy und seinem Wissenschaftsoffizier Mr. [S’chn T’gai] Spock.
.
Auch Joseph „Joe“ Sullivan alias „Sky Captain“ (Jude Law) zitiert den Vers im Flugzeug auf der Suche nach Rana in Sky Captain and the World of Tomorrow.

(Andere Übersetzung lauten: „Nichts will ich als ein schlankes Schiff und die weisenden Sterne in der Höhe. / Kannst du den Wind in deinem Rücken spüren, und die Wellen unter dir?“; „Ich muss mich gen Meer wenden, hin zum einsamen Himmel und weiter See, / und alles, was ich verlange, ist ein großes Schiff und einen Stern, der es lenkt“; und bei Wikipedia „Ich muss wieder hinab zum Meer, zum einsamen Meer und dem Himmel / Und ich brauche nur ein großes Schiff und einen Stern, nach dem ich steuern kann …“)

McCoy meint, dass dieser Vers von Herman Melville sei, aber Spock weiß natürlich, dass John Mansfield  der Autor ist und dass er in den Klassikern wohlbekannt sei. (Dass McCoy ihn daraufhin fragt, warum ihm „Row, Row, Row Your Boat“, das sie am Lagerfeuer im Yosemite-Nationalpark gesungen hatten, nicht bekannt gewesen sei, und Spock als Antwort die berühmte rechte Augenbraue hochzieht, gehört allerdings nicht hierher.)

* Wer sich für die Dienstgrade der Sternenflotte und anderer Völker wie Klingonen oder Romulaner interessiert, findet hier eine Übersicht. Aber nicht nur das erfährt man hier, sondern alles rund um Star Trek, ob Dusche, Transporterunfälle, Zahnmedizin oder die Chronologie sämtlicher Ereignisse rund um Star Trek, beginnend mit 4000 v. Chr.: „Unbekannte Aliens bringen mehrere Menschen zu einem entfernten Planeten, um die Erde daran zu hindern, sich selbst zu zerstören. Gary Seven ist einer ihrer Nachkommen“ in TOS 2.26 [55] Ein Planet genannt Erde (Assignment: Earth). Die Seite Memory Alpha, „ein freies und gemeinschaftliches Projekt zur Erstellung einer umfangreichen Enzyklopädie rund um Star Trek“, bei dem jeder mitmachen kann, ist ein Muss für alle Trekkies.

Nach dem Ausflug in die Weiten des Weltalls nun zurück zu den Weiten des Ozeans. Hier nun das vollständige Gedicht:

Sea-Fever

I must down to the seas again, to the lonely sea and the sky,
And all I ask is a tall ship* and a star to steer her by,
And the wheel’s kick and the wind’s song and the white sail’s shaking,
And a grey mist on the sea’s face, and a grey dawn breaking.

I must down to the seas again, for the call of the running tide
Is a wild call and a clear call that may not be denied;
And all I ask is a windy day with the white clouds flying,
And the flung spray and the blown spume, and the sea-gulls crying.

I must down to the seas again to the vagrant gypsy life.
To the gull’s way and the whale’s way where the wind’s like a whetted knife;
And all I ask is a merry yarn from a laughing fellow-rover,
And quiet sleep and a sweet dream when the long trick’s over.

(In John Masefield: Salt-Water Ballads. London 1902, S. 59f.)

(Mit „tall ship“ bezeichnet man in England die schnellen Tee- und Wollklipper wie die Cutty Sark)

Meer-Sehnsucht

Ich muss zurück, zum Meer hinab,
Zu Himmel und einsamer See,
Und nichts will ich als ein schlankes Schiff
Und den weisenden Stern in der Höh,
Das Knacken des Rads und des Windes Lied
Und der Segel Glanz und Schwung,
Und den grauen Nebel im Antlitz der See
Beim Einbruch der Dämmerung.

Ich muss zurück, zum Meer hinab,
Denn die Tide, die steigend kommt,
Ist wie ein wilder und heller Ruf –
Nicht Zögern noch Weigern frommt.
Und nichts will ich, als den Tag voll Wind
Mit Wolken, die schimmernd fliegen,
Mit wehendem Gischt und sprühendem Schaum
Und der Möwen Kreischen und Wiegen.

Ich muss zurück, zum Meer hinab,
Zu dem rastlosen Wanderleben,
Wo der Wind saust und der Walfisch zieht
Und die wilden Seevögel schweben …
Und nichts will ich als ein lustiges Garn,
Von lachendem Seemann gesponnen,
Und tiefen Schlaf und freundlichen Traum,
Wenn die Reise verronnen.
(Zitiert nach http://www.sailtraining.de/fileadmin/files/intern/Ausbildung/BHBonlext.pdf)

(Womit ich einmal mehr gezeigt habe, wie die Suche nach einem ganz banalen Begriff immer weiter in die unendlichen Tiefen des Netzes führt, dorthin, wo fleißige Menschen ihr Wissen eingestellt haben, um es mit anderen zu teilen.)

Samstag, 16. Februar 2013

Zitat des Tages

Ein Kerl, der kritisiert,
Ist wie ein Tier auf dürrer Heide,
Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt,
Und ringsumher liegt schöne grüne Weide.

Ludwig Börne

(In Vermischte Aufsätze, 1823/2006, S. 15)

Mittwoch, 13. Februar 2013

Zitat der Woche: „Nur wenn man sitzt, kann man denken und schreiben“


Dieses Zitat von Friedrich Nietzsche gehört zu den berühmten Zitaten, die in diverse Sprachen wie Englisch, Französisch, Italienisch, Littauisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Spanisch und Tschechisch übersetzt wurden:

On ne peut penser et écrire qu’assis (Flaubert) [Nur wenn man sitzt, kann man denken und schreiben] – Damit habe ich dich, Nihilist! Das Sitzfleisch ist gerade die Sünde wider den heiligen Geist. Nur die ergangenen Gedanken haben Werth.

(In Der Fall Wagner. Götzen Dämmerung. Nietzsche contra Wagner. Umwerthung alle Werthe. Dichtungen, 1906, S. 66)

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ [One cannot think and write except when seated] (G. Flaubert). There I have caught you, nihilist! The sedentary life is the very sin against the Holy Spirit. Only thoughts reached by walking have value.
(http://www.davemckay.co.uk/philosophy/nietzsche/nietzsche.php?name=nietzsche.1889.twilightoftheidols.kaufmann.01)

On ne peut penser et écrire qu’assis (G. Flaubert). Je te tiens là, nihiliste! Rester assis, c’est là  précisément le péché contre le Saint-Esprit. Seules les pensées qui vous viennent en marchant ont de la valeur.
(http://tinyurl.com/asforzp)


„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert). – Ti tengo ormai, nichilista! Il sedere di pietra è proprio il peccato contro lo spirito aanto. Soltanto i pensieri nati camminando hanno valore.
(http://www.unibg.it/dati/bacheca/434/52916.pdf)


(auch Ecco che ti ho, nichilista! Star seduti è appunto il peccato contro lo spirito santo. Solo i pensieri che hanno camminato hanno valore. http://de.scribd.com/doc/102049635/Friedrich-Nietzsche-Crepuscolo-Degli-Idoli)
 

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert). – Štai ir pagavau tave, nihiliste! Kaip tik sėslumas yra n u s i ž e n g i m a s šventajai dvasiai. Tik i š v a i k š č i o t o s mintys vertingos.
(http://www.patariu.lt/studijos/2009/01/frydrichas-nyce-stabu-saulelydis/)


 „On ne peut pas penser et écrire qu´assis“ (Man kan kun tænke og skrive siddende) (G. Flaubert) – Her har jeg dig, nihilist! At sidde på sin flade røv er netop synden mod den hellige ånd. Kun de tanker, man har gået sig sig til, har værdi.
(http://jimeglinhansen.com/category/rejsen-mod-mig-selv/)


„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G.  Flaubert). É assim que te pego, Niilista!  A pachorra é justamente o pecado contra o Espírito Santo.  Só os pensamentos que surgem em movimento têm valor.
(http://www.ufrnet.br/~tl/otherauthorsworks/nietzsche_crepusculo_dos_idolos.pdf

 „On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert) [Tylko siedząc, można myśleć i pisać.]  – Mam cię, nihilisto! Przesiadywanie jest właśnie  g r z e c h e m  przeciwko Duchowi Świętemu. Wartość mają jedynie te myśli, które człowiek  w y c h o d z i ł.
(http://www.satan.pl/nietzsche.php?id=158)

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert). – Aici te-am prins, nihilistule! Carnea ve[s]nic st[a]tut[a]l e tocmai p[a]catul împotriva sfîntului duh. Valoare au numai ideile dup[a] care ai umblat. 
(https://sites.google.com/site/nccmn14/nietzsche---amurgul-idolilor

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (Г.Флобер). – Вот я и поймал тебя, нигилист! Усидчивость есть как раз грех против духа святого. Только выхоженные мысли имеют ценность.
(http://www.nicshe.velchel.ru/index.php?cnt=21&sub=1)

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (Flaubert). [No se puede pensar ni escribir más que sentado] ¡Ah, nihilista! El trasero es precisamente el pecado contra el espíritu santo. Sólo tienen valor los pensamientos pensados en camino. 
(http://www.taringa.net/posts/info/6310133/Frases-de-Friedrich-Nietzsche.html)

(auch Con esto te tengo, nihilista! La carne del trasero es cabalmente el pecado contra el espíritu santo. Sólo tienen valor los pensamientos caminados. http://www.paginasobrefilosofia.com/html/crepus1.html)

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert) – Nu har jag dig, nihilist! Sittfläsket är själva synden mot den helige ande. Bara rörliga tankar är något värda.
(http://www.skarv.se/ij/FNToP.htm)

„On ne peut penser et écrire qu’assis“ (G. Flaubert) Tím jsem tě dostal, nihilisto! Usedlost je přímo hřích proti duchu svatému. Jen vychozené myšlenky mají hodnotu.
(http://polarniliska.webpark.cz/soumrak.html)


Nur – wo und wann hat Gustave Flaubert diesen von Nietzsche vielzitierten Satz gesagt? – Leider scheine ich die einzige zu sein, die sich das gefragt hat. – Tja, offensichtlich hat ihn Guy de Maupassant in seiner Flaubert-Studie dem Schriftsteller in den Mund gelegt. Denn er schreibt:
Von Kind an zeigte er zwei auffallende Charakterzüge, die er immer bewahrt hat: eine große Naivität und die Abscheu vor jeder körperlichen Handlung. Sein ganzes Leben blieb er naiv und seßhaft. Er konnte es nicht ohne wild zu werden vertragen, daß man in seiner Nähe herumging oder sich sonst rührte; und dann erklärte er mit seiner bissigen, tönenden und immer ein wenig theatralischen Stimme: daß dieses nicht philosophisch sei. „Man kann nur denken und schreiben, wenn man sitzt“, sagte er.
(In Gustave Flauberts Gesammelte Werke: Madame Bovary. Sittenbilder aus der Provinz. Bruns o.J. [um 1920], S. viii)

Dès sa première enfance, les deux traits distinctifs de sa nature furent une grande naïveté et une horreur de l'action physique. Toute sa vie, il demeura naïf et sédentaire. Il ne pouvait voir marcher ni remuer autour de lui sans s'exaspérer; et il déclarait, avec sa voix mordante, sonore et toujours un peu théâtrale, que cela n'était point philosophique. „On ne peut penser et écrire qu'assis“, disait-il.
(Flaubert vu par Guy de Maupassant en 1884 http://jb.guinot.pagesperso-orange.fr/pages/maupassant84a.html)
Eine Originalquelle habe ich leider nicht gefunden.

Dass solche Worte nicht unkommentiert bleiben können, ist verständlich. Denn prompt spöttelt der Pianist, Kabarettist und Schriftsteller Ernst Woldemar Sacks in seinen Erinnerungen Kabarett des Lebens:
„Nur beim Sitzen kann man denken und schreiben“ (On ne peut penser et écrire qu'assis) sagt Flaubert, wohingegen Nietzsche meint, daß „nur ergangene Gedanken wert haben“. Ich schlage einfach ein – entschuldigen Sie das harte Wort – gemäßigten Stuhlgang vor, d.h. man binde oder klebe sich hinten einen Stuhl an und gehe mit Nietzscheschen Gedanken auf und ab; kommen einem Flaubertsche Gedanken, dann kann man sich sofort auf denselben Fleck, wo man eben stand, setzen.
(Zitiert nach http://www.aphorismen.de/zitat/127183)

Samstag, 2. Februar 2013

Zitat des Tages: Goethe über Handarbeiten

Frauenzimmerliche Handarbeiten, in Gesellschaft unternommen und scheinbar gleichgültig fortgesetzt, erhalten durch Klugheit und Anmut oft eine wichtige Bedeutung. Unbefangen und emsig fortgesetzt, geben solche Bemühungen einer Schönen das Ansehen völliger Unaufmerksamkeit auf die Umgebung und erregen in derselben ein stilles Mißgefühl. Dann aber, gleichsam wie beim Erwachen, ein Wort, ein Blick versetzt die Abwesende wieder mitten in die Gesellschaft, sie erscheint als neu willkommen; legt sie aber gar die Arbeit in den Schoß nieder, zeigt sie Aufmerksamkeit auf eine Erzählung, einen belehrenden Vortrag, in welchem sich die Männer so gern ergehen, dies wird demjenigen höchst schmeichelhaft, den sie dergestalt begünstigt.

Johann Wolfgang von Goethe

(In Der Mann von fünfzig Jahren, S. 15; siehe auch http://gutenberg.spiegel.de/buch/3679/26)

Mittwoch, 23. Januar 2013

Bis 31. 3. 2013: Anthologieausschreibung „Meine beste Frauengeschichte“ vom Schreiblust-Verlag (mit Honorar)

Wir suchen Geschichten von Autoren nach dem Motto "Meine beste Frauengeschichte". Einsendeschluss: 31. März 2013

Kürzere Geschichten (bis 10.000 Zeichen inklusive Leerzeichen) haben größere Chancen im Buch zu erscheinen als längere.

Die Rechte an den Geschichten verbleiben bei den Autoren. Autoren, die im Buch aufgenommen werden, erhalten neben einem Freiexemplar als Honorar 10 Prozent vom Verkaufserlös geteilt durch die Anzahl der Autoren.

Verlagsmitarbeiter werden gebeten, ihre Geschichte unter Pseudonym einzureichen.

Bitte schicken Sie Ihre Geschichte(n) - maximal drei pro Autor - an mail@schreib-lust.de - und zwar am liebsten als Mail-Anhang im RTF-Format. Jeder Einsender erhält eine formlose Eingangsbestätigung per E-Mail.

Wir freuen uns auf Ihre Geschichten!

Originalausschreibung http://schreib-lust.de/verlag/ausschreibungen.php

Dienstag, 22. Januar 2013

Bis zum 15. 2. 2013: Die Bastei Lübbe Academy verlost einen Teilnahmeplatz am ersten Academy-Workshop

GEWINNEN SIE EINEN PLATZ IN DER ACADEMY!

Wir verlosen eine Teilnahme am ersten Academy-Workshop "Bestseller. Der Weg zum Erfolgsroman" mit dem profilierten Buch- und TV-Autor Mario Giordano - im Wert von 549 Euro!
(1.-3. März 2013)

(Mehr zum Workshop unter: http://www.bastei-luebbe-academy.de/seminar-24-24/bestseller_der_weg_zum_erfolgs roman-2/)

Schreiben Sie uns kurz, warum Sie gern dabei sein möchten, an:
verlosung-academy@luebbe.de (Einsendeschluss: 15.2.2013)

Originalausschreibung http://www.facebook.com/BasteiLuebbe

Samstag, 19. Januar 2013

Bis 31. 3. 2013: Anthologieausschreibung „Meine beste Männergeschichte“ vom Schreiblust-Verlag (mit Honorar)

Wir suchen Geschichten von Autorinnen nach dem Motto "Meine beste Männergeschichte". Einsendeschluss: 31. März 2013

Kürzere Geschichten (bis 10.000 Zeichen inklusive Leerzeichen) haben größere Chancen im Buch zu erscheinen als längere.

Die Rechte an den Geschichten verbleiben bei den Autoren. Autoren, die im Buch aufgenommen werden, erhalten neben einem Freiexemplar als Honorar 10 Prozent vom Verkaufserlös geteilt durch die Anzahl der Autoren.

Verlagsmitarbeiter werden gebeten, ihre Geschichte unter Pseudonym einzureichen.

Bitte schicken Sie Ihre Geschichte(n) - maximal drei pro Autor - an mail@schreib-lust.de - und zwar am liebsten als Mail-Anhang im RTF-Format. Jeder Einsender erhält eine formlose Eingangsbestätigung per E-Mail.

Wir freuen uns auf Ihre Geschichten!

Originalausschreibung http://schreib-lust.de/verlag/ausschreibungen.php

Freitag, 18. Januar 2013

Robert Burton und die Augen der Liebe


Sind alle so blind, als sie närrisch sind, und geht eines mit dem andern. Quisquis amat ranam, ranam putatesse Dianam; er liebte eine Kröte, so muß die Kröte Diana sein, eine Göttin. Denn es ist kein Liebender, der die Geliebte nicht vergöttert, sie sei so schief, wie sie will, so krumm, wie sie kann; runzlig, ranzig, blaß, sommersprossig, rotes Haar und gelbe Haut, ein talgiges Galgengesicht oder eine runde, platte Schießscheibe, oder dumm, dürr, dürftig, schief und schäbig wie eine Vogelscheuche, kahl, glotzäugig, triefäugig, hohläugig, hühneräugig, schielt wie ein Huhn in der Sonne und blinzelt wie eine Katze vorm Ofen, hat Ränder und Ringe um die Augen wie eine Eule, einen Spatzenmund und darüber einen Nasenhaken wie ein persischer Teppichhändler, oder eine spitze Fuchsnase, eine rote Rübe, eine plattgedrückte Nase wie ein Chinese, gelbe Biberzähne, oder schwarz und schief und durcheinander wie ein alter Judenfriedhof, zusammengewachsene Brauen über wimpernlosen Lidern, Hexenbart und Warzen, ihr Atem stinkt durch das ganze Zimmer, die Nase tropft Sommer und Winter, hat einen Kropf unterm Kopf und einen bayrischen Beutel unterm Kinn, Fledermausohren oder Hängeohren wie ein Wachtelhund, einen Hals wie ein Kranich, pendulis mammis [Hängebrüste], Titten wie Quitten oder gar keine, ein Plättbrett als Busen, Hitzpocken oder Frostbeulen, lange schwarze Nägel, Schorf an den Händen und Räude an den Füßen, krumm, klapprig, rippendürr, lahm, Plattfüße, Schweißfüße, geht einwärts und schurrt mit den Schuhen, ein wahrer Wechselbalg, ein Alpdruck, ein halbgebackenes Gespenst, schilt wie eine Rohrammer und schrillt wie der Griffel auf dem Schiefer, eine wüste Schlampe, eine schleichende Pest, eine läufige Hündin und ranzige Otter, in summa und um's kurz zu machen: ein Kuhfladen im Backofen. Du kannst sie nicht sehen, dich ekelt's vor ihr, würdest ihr am liebsten ins Gesicht spucken oder ihr, mit Verlaub, auf den Busen rotzen.

Robert Burton (Pseudonym Democritus junior)

(Mit den Augen der Liebe. In Anatomie der Melancholie. Ihr Wesen und Wirken, ihre Herkunft und Heilung philosophisch, medizinisch, historisch offengelegt und seziiert. Teil III: Schwermut der Liebe, übersetzt von Peter Gan, 1952, zitiert nach http://www.physiologus.de/frau_haes.htm)

Their blindness is all out as great, as manifest as their weakness and dotage; or rather an inseparable companion, an ordinary sign of it. Love is blind, as the saying is, Cupids blind, and so are all his followers. Quisquis amat ranam, ranam putat esse Dianam. Every lover admires his mistress, though she be very deformed of herself, ill-favored, wrinkled, pimpled, pale, red, yellow, tan’d, tallow-faced, have a swoln juglers platter face, or a thin, lean, chitty face, have clouds in her face, be crooked, dry, bald, goggle-ey’d, blear-ey’d or with staring eyes, she looks like a squis’d cat, hold her head still awry, heavy, dull, hollow-ey’d, black or yellow about the eyes, or squint-ey’d, sparrow-mouthed, Persean hook-nosed, have a sharp fox nose, a red nose, China flat, great nose, nare simo patuloque, a nose like a promontory, gubber-tushed, rotten teeth, black, uneven, brown teeth, beetle browed, a witches beard, her breath stink all over the room, her nose drop winter and summer, with a Bavarian poke under her chin, a sharp chin, lave eared, with a long cranes neck, which stands awry too, pendulis mammis, her dugs like two double jugs, or else no dugs in that other extream, bloody-faln-fingers, she have filthy long unpaired nails, scabbed hands or wrists, a tan’d skin, a rotten carcass, crooked back, she stoops, is lame, splea-footed, as slender in the middle as a cow in the wast, gowty legs, her ankles hang over her shooes, her feet stink, she breed lice, a meer changeling, a very monster, an aufe imperfect, her whole complexion savours, a harsh voyce, incondite gesture, vile gate, a vast virago, or an ugly tit, a slug, a fat fustilugs, a trusse, a long lean rawbone, a skeleton, a sneaker (si qua latent meliora puta), and to thy judgment looks like a mard in a lanthorn, whom thou couldst not fancy for a world, but hatest, loathest, and wouldst have spit in her face, or blow thy nose in her bosom, remedium amoris to another man, a dowdy, a slut, a scold, a nasty, rank, rammy, filthy, beastly quean, dishonest peradventure, obscene, base, beggerly, rude, foolish, untaught, peevish, Irus daughter, Thersites sister, Grobians scholler; if he love her once, he admires her for all this, he takes no notice of any such errors, or imperfections of body or mind.
(In The Anatomy of Melancholy: What it Is, with All the Kinds, Causes, Symptomes, Prognostics, and Several Cures of It, Part. 3. Sec. 2: Love-Melancholoy. Mem. 4. Subs. 1: Symptomes or Sings of Love-Melancholoy; in Body, Minde: good, bad, &c., 1838, S. 564f.; http://www.gutenberg.org/files/10800/10800-h/ampart3.html)

Donnerstag, 17. Januar 2013

Bis zum 15. 2. 2013: autoren@leipzig Award für Self-Publisher

autoren@leipzig Award: Neobooks und die Leipziger Buchmesse vergeben erstmals Preis für Self-Publisher

Zur Leipziger Buchmesse 2013 startet der erste autoren@leipzig Award für Self-Publisher. Der neue Preis für deutschsprachige Werke wird in den Kategorien Fiction und Non-Fiction vergeben.

Für die Bewertung der Jury sind die zwei Kriterien „Die allgemeine Qualität der Publikation“ und „Die inhaltliche Qualität“ der Publikation entscheidend. Zur „allgemeinen Qualität“ zählen Covergestaltung, Layout, Preissetzung sowie Marketing/Vertrieb.

Interessierte können ihre digitalen Werke ab dem 22. Januar 2013 unter www.indie-autor-preis.de einreichen. Dort sind auch die vollständigen Teilnahmebedingungen zu finden. Der Bewerbungszeitraum reicht bis zum 15. Februar. Bereits im Vorfeld der Leipziger Buchmesse, am 11. März, benennt die Jury die Gewinner des Awards. Die Verleihung findet am 15. März zur Leipziger Buchmesse statt.

Das Gremium vergibt in den Kategorien Fiction und Non-Fiction jeweils drei Preise. Die beiden Erstplatzierten erhalten einen Geldpreis in Höhe von 3.000 € sowie eine Patenschaft des Droemer Knaur Lektorats für das nächste Werk. Auf die Zweitplatzierten warten eine PR-Beratung mit Kreativsession sowie ein professionelles Fotoshooting von und mit der Berliner Agentur Literaturtest im Gesamtwert von 2.000 Euro. Die weiteren Gewinner erhalten Geldpreise und E-Book-Reader. Zudem erhält der Gewinner in der Kategorie Fiction die Möglichkeit einer Lesung im Rahmen der Langen Leipziger Lesenacht am 14. März in der Leipziger Moritzbastei.

Zur Jury gehören Matthias Matting, Redakteur bei FOCUS, Ressort Forschung & Technik; Claudius Nießen, Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts der Universität Leipzig; Dirk Rumberg, Literaturagent und Unternehmensberater; Wolfgang Tischer, Chefredakteur und Herausgeber von literaturcafe.de; sowie Mathias Voigt, Geschäftsführer Literaturtest, Agentur für die Buch- und Medienbranche.

Originalausschreibung http://www.buchmarkt.de/content/53599-newsflash.htm

Montag, 14. Januar 2013

Gedicht der Woche: Ada Christen "Auf dem alten jüdischen Friedhofe"

Prag.

Auf dem alten jüdischen Friedhofe.

Sinnend stand ich bei dem Grabe
Rabby Löv’s, des jüd’schen Weisen,
Hörte wie im Traum den Führer
Seine todten Ahnherrn preisen.

Und warum, so frug ich staunend,
All’ die Juden, groß und kleine,
Auf das Grab mit leisem Murmeln
Werfen bunte Kieselsteine?

Und es wurde mir die Antwort:
»Um zu ehren, ist geboten,
Daß wir Blumen streu’n Lebend’gen,
Steine auf das Grab der Todten.«

Von solch’ heidnischem Gebrauche
Sind wir Christen längst gereinigt:
Wir bekränzen stets die Gräber
Jener, welche wir gesteinigt.

Ada Christen

(In Aus der Asche: neue Gedichte, 1870, S. 54)

Samstag, 12. Januar 2013

Gedicht der Woche

Auto-da-fe

Welke Veilchen, stäub’ge Locken,
Ein verblichen blaues Band,
Halb zerrissene Billette,
Längst vergessner Herzenstand –

In die Flammen des Kamines
Werf’ ich sie verdrossnen Blicks;
Ängstlich knistern diese Trümmer
Meines Glücks und Missgeschicks.

Liebeschwüre, flatterhafte
Falsche Eide, in den Schlot
Fliegen sie hinauf – es kichert
Unsichtbar der kleine Gott.

Bei den Flammen des Kamines
Sitz ich träumend, und ich seh’
Wie die Fünkchen in der Asche
Still verglühn – Gut’ Nacht – Ade!

Heinrich Heine

(In Romanzero, 1851, S. 166; http://www.textlog.de/heine-gedichte-autodafe.html)

Donnerstag, 3. Januar 2013

Zitat des Tages: Lichtenberg über Bücher

Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen in die Haushaltung? Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende durchgeblättert, andere Tausende liegen stille, andere werden auf Mauslöcher gepreßt, nach Ratzen geworfen, auf anderen wird gestanden, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit anderen Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden.

Georg Christoph Lichtenberg

(In Schriften und Briefe, 1967, S. 311)

Freitag, 21. Dezember 2012

Nein, solche Wettbewerbe poste ich hier nicht …

… wie diesen vom Goldmann-Verlag und der Frauenzeitschrift Jolie.

Vor allem der erste Preis sieht ganz verlockend aus:

1. Preis
Ein London-Wochenende im April 2013 (natürlich inklusive Flug und Hotel) für die Gewinnerin und eine Freundin
SOWIE Veröffentlichung der Gewinnergeschichte in der Printausgabe der Jolie
SOWIE Veröffentlichung der Geschichte in einem E-Book

2.-3. Preis
Veröffentlichung der Geschichten auf www.jolie.de mit einem Kurzportrait der Gewinnerinnen
SOWIE Veröffentlichung der Geschichte in einem E-Book

4.-10. Preis
Veröffentlichung der Geschichte in einem E-Book
11.-20. Preis
Jeweils ein Abo der Jolie

ABER:

 "Mit der Teilnahme am Schreibwettbewerb erklärt sich der Teilnehmer einverstanden, dass seine Geschichte im Falle eines Gewinnes ohne Vergütung und mit Namensnennung in der Printausgabe der JOLIE (Platz 1) bzw. online auf den Webseiten www.jolie.de und www.sophie-kinsella.de (Platz 2-3) veröffentlicht werden darf. Die zehn bestplatzierten Geschichten werden außerdem ohne Vergütung in einem E-Book veröffentlicht."

Hat das ein großer Verlag wirklich nötig? Selbst bei Anthologien, die von kleinen Verlagen herausgegeben werden, ist es Usus, die AutorInnen am Erlös der Anthologien zu beteiligen. Zumindest gibt es ein Belegexemplar und die Möglichkeit, weitere Exemplare vergünstigt zu erwerben.

UND

Obwohl in den Teilnahmebedingung nicht angegeben, sind Männer noch nicht einmal als Begleitung erwünscht. Das finde ich selbst als Feministin nicht in in Ordnung.

Gut finde ich auch nicht, dass der "Gewinner der London-Reise sich nach Erhalt seiner Gewinnbenachrichtigung innerhalb von 14 Tagen beim Veranstalter rückmelden" muss. Wenn er das nicht macht, verliert er alle Rechte "auf den Gewinn und der bis dato Zweitplatzierte rückt nach".

Das „SOWIE“ suggeriert eine besonderes Schmankerl, aber seine Geschichten kann man auch auf anderen Plattformen wie e-stories einstellen.

http://www.sophie-kinsella.de/schreibwettbewerb.php

Montag, 10. Dezember 2012

Gedicht der Woche: Sapphos "Ode an eine Geliebte"

Ode an eine Geliebte

Der ist den Göttern gleich zu schätzen,
Der sich dir gegen über setzen,
Und deine Stimme hören kan:
Er sieht dich mit Vergnügen an,
Und wenn dein Mund liebkosend lacht,
So wird er ausser sich gebracht.
Kaum seh' ich dieß, so muß ich fühlen.
Wie Gluth und Brand in Adern wühlen;
Die Zunge starrt, und kan nicht fort;
Im Munde stockt so gar das Wort;
Den starren Augen fehlt das Licht;
Es saust das Ohr, und hört doch nicht.
Ein Schauer fährt durch alle Glieder;
Mein Leib erzittert und sinkt nieder;
Mein Mund verwelkt, der Athem fehlt;
Es scheint, als wäre ich schon entseelt.
Doch, wer nicht hat, wagt auch das letzte.

Ode to a loved one

I deem that man divinely blest
Who sits, and, gazing on thy face,
Hears thee discourse with eloquent lips,
And marks thy lovely smile.

This, this it is that made my heart
So wildly flutter in my breast;
Whene’er I look on thee, my voice
Falters, and faints, and fails;

My tongue’s benumbed; a subtle fire
Through all my body inly steals;
Mine eyes in darkness reel and swim;
Strange murmurs drown my ears;

With dewy damps my limbs are chilled;
An icy shiver shakes my frame;
Paler than ashes grows my cheek;
And Death seems nigh at hand.”

(http://www.earlywomenmasters.net/essays/authors/higginson/twh_sappho7.html)

Sappho

(In Dionysius Longinus: Vom Erhabenen (Peri hypsous; De sublimitate; On the Sublime), 1784, S. 24); weitere deutsche Übersetzungen siehe http://www.deutsche-liebeslyrik.de/dichterinnen/dichterinnen_auslandische_sappho.htm und Critische Dichtkunst Worinnen die Poetische Mahlerey[sic!] in Absicht auf die Erfindung Im Grunde untersuchtet und mit Beyspielen aus den berühmtesten Alten und Neuern erläutert wird, 1740, S. 424, eine weitere englische siehe http://www.gutenberg.org/files/17957/17957-h/17957-h.htm)

(Mehr dazu siehe G. Schipper-Hönicke: Im klaren Rausch der Sinne, 2003, S.  198f.)

Sonntag, 9. Dezember 2012

Plinius der Ältere über die Ausbeutung der Erde, den Teilnehmern am Klimagipfel in Doha ins Stammbuch geschrieben


Der Satz

„Was für ein Ende soll die Ausbeutung der Erde in all den künftigen Jahrhunderten noch finden? Bis wohin soll unsere Habgier noch vordringen?“

stammt nicht etwa von heute, sondern das fragte sich bereits Plinius der Ältere vor zweitausend Jahren angesichts des Raubbaus vor allem durch den römischen Bergbau in Spanien auf der Jagd nach Reichtum (siehe dazu auch „Kannte die Antike ein Umweltbewusstsein?“ und „Umweltverhalten in der Antike").

Aber das Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen, und es ist wichtig, ihn zu kennen. Denn Plinius schreibt:
Von den Metallen, den Schätzen selbst und von den Werten der Gegenstände wird nun gesprochen werden, da unsere einzige Sorge das Innere der Erde auf vielfache Weise durchsucht; hier nämlich durchgräbt man sie auf der Jagd nach Reichtum, weil die Welt nach Gold, Silber, Elektron und Kupfer verlangt, dort der Prunksucht zuliebe nach Edelsteinen und Färbemitteln für Wände und Holz, anderswo um verwegenen Treibens willen nach Eisen, das bei Krieg und Mord sogar noch mehr geschätzt wird als das Gold. Wir durchforschen alle ihre Adern und leben auf ihr dort, wo sie ausgehöhlt ist, wobei wir uns noch wundern, dass sie zuweilen birst oder zittert, wie wenn dies nicht in Wahrheit aus dem Unwillen der heiligen Mutter Erde gedeutet werden könnte. Wir dringen in ihre Eingeweide und suchen am Sitz der Schatten nach Schätzen, gleichsam als wäre sie dort, wo sie betreten wird, nicht genügend gütig und fruchtbar; und am wenigsten durchwühlen wir sie dabei der Heilmittel wegen, denn wie vielen ist schon die Heilkunde ein Grund zum Graben? Und doch bietet sie auch diese Gabe an ihrer Oberfläche wie Früchte, freigebig und bereitwillig in allem, was überhaupt Nutzen bringt. Nur das vernichtet uns, nur das treibt uns zur Unterwelt, was sie verborgen und versenkt hat, nur das, was allmählich entsteht, so dass der ins Leere emporstebende Geist bedenken mag, was für ein Ende ihre Ausbeutung in all den Jahrhunderten finden und bis wohin die Habgier noch vordringen soll.* (kursiv jmw) Wie unschuldig, wie glücklich, ja sogar wie köstlich wäre das Leben, wenn die Menschheit nichts anderwoher als über der Erde zur Erfüllung ihrer Wünsche suchte, kurz, nur das, was sie umgibt."
(http://www.zeit.de/2008/41/N-Erdwaerme/seite-3)
*Nach einer anderen Übersetzungen auch:
Was die Erde verborgen und und in sich eingeschlossen hat, was nicht plötzlich entsteht – wie ein zur Dummheit neigender Geist meinen könnte – das verdirbt uns und treibt uns in die Vernichtung. Wo soll das mit ihrer Ausbeutung noch enden, bis wohin soll die Habgier noch vordringen? (http://www.pageorama.com/?p=igel)
Metalla nunc ipsaeque opes et rerum pretia dicentur, tellurem intus exquirente cura multiplici modo, quippe alibi divitiis foditur quaerente vita aurum, argentum, electrum, aes, alibi deliciis gemmas et parietum lignorumque pigmenta, alibi temeritati ferrum, auro etiam gratius inter bella caedesque. Persequimur omnes eius fibras vivimusque super excavatam, mirantes dehiscere aliquando aut intremescere illam, ceu vero non hoc indignatione sacrae parentis exprimi possit.
Imus in viscera et in sede manium opes quaerimus, tamquam parum benigna fertilique qua calcatur. Et inter haec minimum remediorum gratia scrutamur, quoto enim cuique fodiendi causa medicina est? Quamquam et hoc summa sui parte tribuit ut fruges, larga facilisque in omnibus, quaecumque prosunt.
Illa nos peremunt, illa nos ad inferos agunt, quae occultavit atque demersit, illa, quae non nascuntur repente, ut mens ad inane evolans reputet, quae deinde futura sit finis omnibus saeculis exhauriendi eam, quo usque penetratura avaritia. Quam innocens, quam beata, immo vero etiam delicata esset vita, si nihil aliunde quam supra terras concupisceret, breviterque, nisi quod secum est!

Our topic now will be metals, and the actual resources employed to pay for commodities—  resources diligently sought for in the bowels of the earth in a variety of ways. For in some places the earth is dug into for riches, when life demands gold, silver, silver-gold, and copper, and in other places for luxury, when gems and colours for tinting walls and beams are demanded, and in other places for rash valour, when the demand is for iron, which amid warfare and slaughter is even more prized than gold. We trace out all the fibres of the earth, and live above the hollows we have made in her, marvelling that occasionally she gapes open or begins to tremble—as if it were not possible that this may be an expression of the indignation of our holy parent! We penetrate her inner parts and seek for riches in the abode of the spirits of the departed, as though the part where we tread upon her were not sufficiently bounteous and fertile. And amid all this the smallest object of our searching is for the sake of remedies for illness, for with what fraction of mankind is medicine the object of this delving? Although medicines also earth bestows upon us on her surface, as she bestows corn, bountiful and generous as she is in all things for our benefit! The things that she has concealed and hidden underground, those that do not quickly come to birth, are the things that destroy us and drive us to the depths below; so that suddenly the mind soars aloft into the void and ponders what finally will be the end of draining her dry in all the ages, what will be the point to which greed will penetrate. How innocent, how blissful, nay even how luxurious life might be, if it craved nothing from any source but the surface of the earth, and, to speak briefly, nothing but what lies ready to her hand.
(http://archive.org/stream/naturalhistory09plinuoft/naturalhistory09plinuoft_djvu.txt)

(In Naturalis historia (Die Naturgeschichte des Gaius Plinius Secundum; Natural History), Liber XXXIII, i, 1–3, http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/33*.html

Und resigniert stellt er fest:

„Sie [die Bergleute] schauen als Sieger auf die Zerstörung der Natur.“

Spectant victores ruinam naturae.

The miners gaze as conquerors upon the collapse of Nature.“
(http://archive.org/stream/naturalhistory09plinuoft/naturalhistory09plinuoft_djvu.txt)

山師たちは征服者のように自然の崩壊を凝視する.“
(http://blog.goo.ne.jp/irienohotori/e/144cf2d3429a1bd99cdfdca3538bd4c3)

(Naturalis historia, 33, xxi, 73, http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/33*.html)

Und man hat es bis heute nicht begriffen …

Mittwoch, 21. November 2012

»Rose ist eine Rose ist eine Zwiebel«, »Eine Schlampe ist eine Schlampe ist eine Schlampe ist eine Schlampe« oder Wenn Freundschaft zerbricht


Wie das so ist, wenn Freundschaften zerbrechen – manchmal kommt es zu einem Kleinkrieg. Bei Ernest Hemingway und Gertrude Stein kam es, nachdem die kurze, aber enge und fruchtbare Freundschaft zwischen ihnen zerbrochen war, weil Hemingway unter anderem Werke guter Freunde Gertrude Steins parodierte, gleich zu einem literarischen Krieg (mehr zu dem Zerbrechen siehe http://www.lordjim.at/files/Hemingway_in_Paris.pdf).

Der Krieg begann damit, dass er ihr mit der Kapitelüberschrift »The Passing of a Great Race and the Making and Marring of Americans« (in Anlehnung an The Making of Americans (Wie Amerikaner gemacht werden)* in seiner Satire The Torrents of Spring (Die Sturmfluten des Frühlings) zu Stil und Inhalt von Gertrude Steins Freund Sherwood Andersons Roman Dark Laughter (Dunkles Lachen) einen Seitenhieb austeilte, woraufhin sie Hemingway in der Autobiography of Alice B. Toklas (Autobiographie von Alice B. Tolkas) wenig schmeichelhaft darstellte. Dieser wiederum konterte, indem er ihr ein Exemplar seines Buches Tod am Nachmittag (Death in the Afternoon) mit der Widmung schickte: »A Bitch Is A Bitch is A Bitch Is A Bitch« (Eine Schlampe ist eine Schlampe ist eine Schlampe ist eine Schlampe) in Anlehnung an Rose is a rose is a rose is a rose (Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose).

Auch in seinem Roman Wem die Stunde schlägt (For Whom the Bell Tolls), der viele Jahre später, nämlich 1940, erschien, konnte er es nicht lassen:
Robert Jordan grinste mit vollem Munde. »Wie die Rosen«, sagte er. »Ganz wie die Rosen. Rose ist eine Rose ist eine Zwiebel.«
«Deine Zwiebeln verwirren dir den Verstand«, sagte Augustin.
»Gib acht!«
»Eine Zwiebel ist eine Zwiebel ist eine Zwiebel«, sagte Robert Jordan fröhlich. Und dachte: Ein Stein ist ein Kiesel, ist ein Fels, ist Geröll, ist Granit.

(Nach einer anderen, besseren Übersetzung:  »Ein Stein ist ein Stein, ist ein Fels ist ein Felsblock ist ein Kiesel«)

»What hast thou against the onion?«
»The odor. Nothing more.« Robert Jordan grinned at him with his mouth full. »A rose is a rose is an onion.«
»Thy onions are affecting thy brain,« Agustín said.
»Take care.«
»An onion is an onion is an onion,« Robert Jordan said cheerily and, he thought, a stone is a stein is a rock is a boulder is a pebble.


(Wem die Stunde schlägt. Fischer 1954, S. 357f.)
Wie und ob Gertrude Stein darauf reagierte, ist nicht überliefert. Zumindest ist mir nichts bekannt.

* Hemingway hatte das Buch vor dem Zerbrechen der Freundschaft noch als ihr eigentliches Werk bezeichnet, und dass er und seinesgleichen nichts anderes tun sollten, als ihr Leben daran zu setzen, dass es auch veröffentlich wird (siehe K. Schnell: Gertrude Steins Einfluß auf andere amerikanische Schriftsteller, S. 9). In dem wenige Jahre nach seinem Tod erschienenen Erinnerungsbuch Paris – ein Fest fürs Leben (A Moveable Feast) schreibt er über dieses »unglaublich lange Buch«:
[Es] begann ganz prachtvoll, ging eine Zeitlang sehr gut weiter mit langen Strecken großer Brillanz, und dann ging es endlos in Wiederholungen weiter, die ein verantwortungsvollerer und weniger fauler Schriftsteller in den Papierkorb geworfen hätte.«

The book began magnificently, went on very well for a long way with great
stretches of great brilliance and then went on endlessly in repetitions that a more conscientious and less lazy writer would have put in the waste basket.
(S. 27)

Samstag, 17. November 2012

Gedicht der Woche: Sonntagnachmittag

Sonntagnachmittag

Auf faulen Straßen lagern Häuserrudel,
Um deren Buckel graue Sonne hellt.
Ein parfümierter, halbverrückter kleiner Pudel
Wirft wüste Augen in die große Welt.

In einem Fenster fängt ein Junge Fliegen.
Ein arg beschmiertes Baby ärgert sich.
Am Himmel fährt ein Zug, wo windge Wiesen liegen;
Malt langsam einen langen dicken Strich.

Wie Schreibmaschinen klappen* Droschkenhufe.
Und lärmend kommt ein staubger Turnverein.
Aus Kutscherkneipen stürzen sich brutale Rufe.
Doch feine Glocken dringen auf sie ein.

In Rummelplätzen, wo Athleten ringen,
Wird alles dunkler schon und ungenau.
Ein Leierkasten heult und Küchenmädchen singen.
Ein Mann zertrümmert eine morsche Frau.

Alfred Lichtenstein
(In Gedichte und Geschichten. Georg Müller, 1919, S. 53)

* Ob Liechtenstein klappen statt klappern geschrieben hat, konnte ich nicht herausfinden. Klappen könnte ein Druckfehler sein, der später übernommen wurde.

Freitag, 9. November 2012

Martin Luther über das Schreiberamt

Es meinen wol etliche / Das Schreiber ampt sey ein leicht geringe ampt. / Aber jm Harnisch reiten / Hitz / Frost / Staub / Durst vnd ander vngemach leiden / Das sey eine erbeit. Ja das ist das alte gemeine teglich Liedlin / das keiner sihet / wo den andern der Schuch drückt / Jderman fület allein sein vngemach / vnd gaffet auff des andern gut gemach. War ists / Mir were es schweer im Harnisch zu reiten / Aber ich wolt auch gern widderumb den Reuter sehen / der mir künde einen gantzen tag still sitzen / vnnd in ein Buch sehen / wenn er schon nichts sorgen / tichten / dencken noch lesen solt. Frage einen Cantzelschreiber / Prediger vnd Redener / was schreiben vnd reden für ein erbeit sey / Frage einen Schulmeister / was leren vnd Knaben zihen für erbeit sey. Leicht ist die Schreibfedder / das ist war / Ist auch kein Handzeug unter allen Handwercken bas zu erzeugen / denn der Schreiberey / Denn sie bedarff allein der Gense fittich / der man vmb sonst allent halben gnug findet / Aber es mus gleichwol das beste Stücke (als der Kopff) vnd das edleste Glied (als die Zunge) vnnd das höhest Werck (als die rede) so am Menschen leibe sind / hie herhalten vnd am meisten erbeiten / da sonst bey andern / entweder die Faust / Füss / Rucken / oder dergleichen Glied allein erbeiten / Vnd können da neben frölich singen vnnd frey schertzen / das ein Schreiber wol lassen mus. Drey Finger thuns (sagt man von Schreibern) Aber gantz Leib vnd Seel erbeiten dran.

Es meinen wohl etliche, das Schreiberamt sei ein leicht geringes Amt, aber im Harnisch reiten, Hitze, Frost, Staub, Durst und anderes Ungemach leiden, das sei Arbeit. Ja, das ist das alte gemeine tägliche Liedlein, das keiner sieht, wo den andern der Schuh drückt. Jedermann fühlt allein sein Ungemach und gafft auf des anderen gut Gemach. Wahr ists, mir wäre es schwer, im Harnisch zu reiten; aber ich wollte auch gern wiederum den Reiter sehen, der mir könnte einen ganzen Tag still sitzen und in ein Buch sehen, wenn er schon nichts sorgen, dichten, denken noch lesen sollte. Frage einen Kanzleischreiber, Prediger, Redner, was Schreiben und Reden für Arbeit sei; frage einen Schulmeister, was Lehren und Knaben Ziehen für Arbeit sei. Leicht ist die Schreibfeder, das ist wahr, ist auch kein Handzeug unter allen Handwerkern baß zu erzeugen, denn der Schreiberei, denn sie bedarf allein der Gänse Fittich, der man umsonst allenthalben genug findet. Aber es muß gleichwohl das beste Stück (als der Kopf) und das edelste Glied (als die Zunge), und das höchste Werk (als die Rede), so am Menschenleibe sind, hier herhalten und am meisten arbeiten, da sonst bei andern entweder die Faust, Füße, Rücken oder dergleichen Glieder allein arbeiten, und können daneben fröhlich singen und frei scherzen, das ein Schreiber wohl lassen muß. Drei Finger tuns (sagt man von Schreibern). Aber der ganze Leib und Seele arbeiten dran.

Martin Luther

(Predigt D.M.L. Das man Kinder zur Schulen halten solle. Anno XXX. In Der Fünffte Teil / aller Bücher und Schrifften des thewren seligen Mans Gottes / Doct. Marth. Lutheri. Steinmann 1588, S. 183)