Prag.
Auf dem alten jüdischen Friedhofe.
Sinnend stand ich bei dem Grabe
Rabby Löv’s, des jüd’schen Weisen,
Hörte wie im Traum den Führer
Seine todten Ahnherrn preisen.
Und warum, so frug ich staunend,
All’ die Juden, groß und kleine,
Auf das Grab mit leisem Murmeln
Werfen bunte Kieselsteine?
Und es wurde mir die Antwort:
»Um zu ehren, ist geboten,
Daß wir Blumen streu’n Lebend’gen,
Steine auf das Grab der Todten.«
Von solch’ heidnischem Gebrauche
Sind wir Christen längst gereinigt:
Wir bekränzen stets die Gräber
Jener, welche wir gesteinigt.
Ada Christen
(In Aus der Asche: neue Gedichte, 1870, S. 54)
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vor 5 Jahren
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