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Freitag, 9. November 2012

Martin Luther über das Schreiberamt

Es meinen wol etliche / Das Schreiber ampt sey ein leicht geringe ampt. / Aber jm Harnisch reiten / Hitz / Frost / Staub / Durst vnd ander vngemach leiden / Das sey eine erbeit. Ja das ist das alte gemeine teglich Liedlin / das keiner sihet / wo den andern der Schuch drückt / Jderman fület allein sein vngemach / vnd gaffet auff des andern gut gemach. War ists / Mir were es schweer im Harnisch zu reiten / Aber ich wolt auch gern widderumb den Reuter sehen / der mir künde einen gantzen tag still sitzen / vnnd in ein Buch sehen / wenn er schon nichts sorgen / tichten / dencken noch lesen solt. Frage einen Cantzelschreiber / Prediger vnd Redener / was schreiben vnd reden für ein erbeit sey / Frage einen Schulmeister / was leren vnd Knaben zihen für erbeit sey. Leicht ist die Schreibfedder / das ist war / Ist auch kein Handzeug unter allen Handwercken bas zu erzeugen / denn der Schreiberey / Denn sie bedarff allein der Gense fittich / der man vmb sonst allent halben gnug findet / Aber es mus gleichwol das beste Stücke (als der Kopff) vnd das edleste Glied (als die Zunge) vnnd das höhest Werck (als die rede) so am Menschen leibe sind / hie herhalten vnd am meisten erbeiten / da sonst bey andern / entweder die Faust / Füss / Rucken / oder dergleichen Glied allein erbeiten / Vnd können da neben frölich singen vnnd frey schertzen / das ein Schreiber wol lassen mus. Drey Finger thuns (sagt man von Schreibern) Aber gantz Leib vnd Seel erbeiten dran.

Es meinen wohl etliche, das Schreiberamt sei ein leicht geringes Amt, aber im Harnisch reiten, Hitze, Frost, Staub, Durst und anderes Ungemach leiden, das sei Arbeit. Ja, das ist das alte gemeine tägliche Liedlein, das keiner sieht, wo den andern der Schuh drückt. Jedermann fühlt allein sein Ungemach und gafft auf des anderen gut Gemach. Wahr ists, mir wäre es schwer, im Harnisch zu reiten; aber ich wollte auch gern wiederum den Reiter sehen, der mir könnte einen ganzen Tag still sitzen und in ein Buch sehen, wenn er schon nichts sorgen, dichten, denken noch lesen sollte. Frage einen Kanzleischreiber, Prediger, Redner, was Schreiben und Reden für Arbeit sei; frage einen Schulmeister, was Lehren und Knaben Ziehen für Arbeit sei. Leicht ist die Schreibfeder, das ist wahr, ist auch kein Handzeug unter allen Handwerkern baß zu erzeugen, denn der Schreiberei, denn sie bedarf allein der Gänse Fittich, der man umsonst allenthalben genug findet. Aber es muß gleichwohl das beste Stück (als der Kopf) und das edelste Glied (als die Zunge), und das höchste Werk (als die Rede), so am Menschenleibe sind, hier herhalten und am meisten arbeiten, da sonst bei andern entweder die Faust, Füße, Rücken oder dergleichen Glieder allein arbeiten, und können daneben fröhlich singen und frei scherzen, das ein Schreiber wohl lassen muß. Drei Finger tuns (sagt man von Schreibern). Aber der ganze Leib und Seele arbeiten dran.

Martin Luther

(Predigt D.M.L. Das man Kinder zur Schulen halten solle. Anno XXX. In Der Fünffte Teil / aller Bücher und Schrifften des thewren seligen Mans Gottes / Doct. Marth. Lutheri. Steinmann 1588, S. 183)

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