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Donnerstag, 7. Mai 2009

Maigedicht II

An den Mai*

Komm, lieber Mai, und mache
Die Bäume wieder grün!
Und laß mir an dem Bache
Die kleinen Veilchen blühn!
Wie möcht' ich doch so gerne
Ein Blümchen wieder sehn!
Ach lieber Mai, wie gerne
Einmal spazieren gehn!

In unsrer Kinderstube
Wir mir die Zeit so lang;
Bald werd' ich armer Bube
Vor Ungeduld noch krank.
Ach! bey den kurzen Tagen
Muß man sich obendrein
Mit den Vokabeln plagen,
Und immer fleißig seyn.

Mein neues Steckenpferdchen
Muß jetzt im Winkel stehn;
Denn draußen in dem Gärtchen
Kann man vor Schnee nicht gehn.
Im Zimmer ists zu enge,
Und stäubt auch gar zu viel,
Und die Mama ist strenge;
Sie schilt aufs Kinderspiel.

Am meisten aber dauret
Mich Lottens Herzeleid;
Das arme Mädchen lauret
Recht auf die Blumenzeit.
Umsonst hohl' ich ihr Spielchen
Zum Zeitvertreib herbey;
Sie sitzt in ihrem Stühlchen,
Wie's Hühnchen auf dem Ey.

Ach wenns doch erst gelinder
Und grüner draußen wär!
Komm, lieber Mai! wir Kinder,
Wir bitten gar zu sehr.
O komm! und bring vor allen
Uns viele Rosen mit!
Bring' auch viel Nachtigallen
Und schöne Kukuks mit!

Christian Adolf Overbeck

*Kommt Ihnen das Gedicht bekannt vor (abgesehen davon, dass es eines der beliebtesten Mailieder ist und jedes Kind es kennt)? Richtig, dieses Gedicht ist eine spätere Version von Overbecks Gedicht "Fritzchen an den Mai" (siehe juttas-schreibblog.blogspot.com/2009/05/maigedicht), das Mozart unter dem Titel "Sehnsucht nach dem Frühling" vertont hatte. Dieses Gedicht wurde auch von Robert Schumann unter dem Titel "Mailied" (Op. 79 no. 9 (1849) vertont. Es soll auch eine Version von Franz Schubert geben, aber die habe ich nicht gefunden.

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