Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich, an einem kalten Wintertage, recht nahe zusammen, um, durch die gegenseitige Wärme, sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfniß der Erwärmung sie wieder näher zusammen brachte, wiederholte sich jenes zweite Übel; so daß sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung von einander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten. – So treibt das Bedürfniß der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zu einander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder von einander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammenseyn bestehn kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfniß gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden. – Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.
Arthur Schopenhauer, Gleichnisse, Parabeln und Fabeln
(In Parerga und Paralipomena: kleine philosophische Schriften. Hayn 1862, S. 689)
*Der Titel der Fabel Der Mensch – ein geselliges Lebewesen in Die Kunst zu beleidigen (Beck 2008, S. 84 f.) wurde von den Herausgebern gewählt. Tatsächlich hat die Fabel keinen Titel.
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vor 5 Jahren
hallo, lieber nicht anecken? nein es gibt auch noch was das nennts sich tolleranz.
AntwortenLöschendenn wenn ich immer nur das gleiche mache ( nie anecken ) werde ich immer das gleiche tun. und da frage ich mich wo der fortschritt bleibt.
nichts für ungut mfg
robi