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Donnerstag, 28. Oktober 2010

Köstlich: Fesselnde Preisreden auf Knopfdruck …


… Sie brauchen nur Namen und Geburtsjahr eingeben, das passende Publikum aussuchen, in meinem Fall war es – natürlich – Marcel-Reich-Ranicki, das Gebiet, auf dem die Auszeichnung erfolgt, also Literatur, und voilà, Sie lesen eine Laudatio vom Feinsten, ausgesucht aus 386 Preisredefloskeln, die unter anderem eine "Google-Suche nach "jury würdigte" zu Tage förderte"*.

Die Laudatio auf mich ist einfach grandios. Schade, dass ich sie niemals hören werde … (Und doch klingen die einzelnen Sätze so vertraut, tausende Male gehört und gelesen in Tausenden von Preisreden):
Schon Johann Wolfgang von Goethe hat dem einfachen Wort ebenso wie dem einfachen Gedanken misstraut**. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn ich von Miller-Waldner sage, sie bedarf keiner Nachhilfe auf diesem Gebiet mehr. …
Die schriftstellerische Welt weiß: Jutta Miller-Waldner ist längst die schriftstellerische Erfolgsautorin schlechthin. … Frau Miller-Waldner gilt zu Recht als die hintergründigste Autorin der jüngeren Literatur und als eine ihrer glanzvollsten Stilistinnen.
Wir verdanken Jutta Miller-Waldner nicht nur den großen Berlin-Roman***, sondern ein bei aller Bissigkeit zutiefst humanes Werk, wie es sich die Leser nicht besser wünschen konnten und das so noch nie gelesen ward. Zugegeben, man mag über den Stil und die Form von Jutta Miller-Waldners schriftstellerischen Arbeiten streiten, doch ihre Bedeutung für die Literatur ist von Anhängern wie Gegnern erkannt. Doch das greift zu kurz. Miller-Waldners Werk hält der Welt schriftstellerisch den Spiegel vor.
Die Jury begründete ihre Entscheidung für Jutta Miller-Waldner damit, dass Miller-Waldners Werk die vielstimmigen Erscheinungs- und Wahrnehmungsformen von Welt in Sprache erkundet. …
Welchen Stellenwert dieser Preis hat, bestätigt nicht zuletzt die Zahl der Bewerber, unter denen sich Frau Miller-Waldner völlig zu Recht bei der Jury durchgesetzt hat. So empfehle ich dringendst die Lektüre von Miller-Waldners Werk, das von so bestechendem Witz und von so großer Intelligenz ist. … Wer wie sie für die Werte der Freiheit und Menschenwürde eintritt, verdient unsere Anerkennung und unseren Dank.
Gerade heute erinnert uns Frau Miller-Waldner an Folgendes: Der Mann, der den Berg abtrug, war derselbe, der anfing, kleine Steine wegzutragen. …
Vielleicht klingt Ihre Laudatio ja noch eindrucksvoller. Probieren Sie es einfach mal aus auf http://www.lichtwolf.de/laudatomat.php

*Was für eine wunderbare Idee und was für ausgeklügelte Suchbegriffe … Da werde ich ja fast neidisch, dass ich nicht auf die Idee gekommen bin, wo ich Phrasen und Worthülsen doch so liebe.

**Also, da hat einer der Preisredner sich aber geirrt: Goethe war gerade für das einfache Wort und die einfachen Gedanken. Wie sagte er so schön »Getretener Quark wird breit, nicht stark«. Deshalb druckte er auch ein halbes Jahrhundert später seinen Aufsatz Von deutscher Baukunst, den Herder 1773 in seinen Fliegenden Blättern veröffentlicht hatte, in seiner eigenen Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum noch einmal verändert ab. Denn, so schreibt Goethe in Dichtung und Wahrheit
Hätte ich diese Ansichten, denen ich ihren Wert nicht absprechen will, klar und deutlich, in vernehmlichem Stil abzufassen beliebt, so hätte der Druckbogen »Von deutscher Baukunst, D. M. Ervini a Steinbach« schon damals, als ich ihn herausgab, mehr Wirkung getan und die vaterländischen Freunde der Kunst früher aufmerksam gemacht; so aber verhüllte ich, durch Hamanns und Herders Beispiel verführt, diese ganz einfachen Gedanken und Betrachtungen in eine Staubwolke von seltsamen Worten und Phrasen, und verfinsterte das Licht, das mir aufgegangen war, für mich und andere.
***Und noch eine Anmerkung: Nach der Stadt wurde im Eingabefeld gar nicht gefragt. Und doch weiß der Generator, dass ich in Berlin lebe. Merkwürdig.

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