Seiten

Donnerstag, 5. Mai 2011

T. G. von Hippel über geliehene Bücher

Der jüngere Herr v. G. Wirst du viel Bücher mitnehmen?

Ich. Sehr wenig. Ich bin sehr für geliehene Bücher. Hat man selbst das Buch, glaubt man: ein andermal. Man sieht es im Schranke, und denkt: wenn ich gelegenere Zeit haben werde. Ein Bibliotaphus, ein Büchergeiziger, ist, nach meines Vaters Ausdruck, ein Teufel, ein Seelenverderber. –

Der jüngere Herr v. G. Wenn man ein Buch leiht, sagt mein Hofmeister, ist es am sichersten, sich Auszüge zu machen; ich glaub’, es hilft dem Gedächtniß.

Ich. Einerlei, ob das Buch, oder der Auszug sanft im Schranke ruht. Ich bin für keinen Auszug. –

Der jüngere Herr v. G. Ein Rückhalt, Bruder, ist eine gute Sache. Wenn man es vergißt –

Ich. So ist das Buch da. Auszug, wenn er ja den Namen verdient, ist eine Brühe. Ich bin nicht für Brühen, so lang’ ich gesund bin.

Herr v. W. Ich leide keine Übertreibung. Einem Kinde, was todt auf die Welt kommt, den Verstand ansehen wollen, find’ ich zu hoch geflogen. –

Hermann. Wenn es indeß die Züge des Vaters hat, und der Vater –

Ich. Manches Buch soll uns nur die Stirn lichten – von manchen dürfen wir nur die Thaler Alberts behalten. Ist es nöthig, daß ich etwas bis auf Ort und Vierding weiß, kauf’ ich mir das Buch, um mir nachzuhelfen, um einen Stab zu haben, an dem ich gehe.

Der jüngere Herr v. G. Erst Gewehr, dann Bücher. – Leib und Seel’, sagt alle Welt, und nicht Seel’ und Leib.

Ich. Beim Edelmann Leib und Seele, beim Literatus Seel’ und Leib, wenn es gleich wider den Redegebrauch ist.

Theodor Gottlieb von Hippel, Lebensläufe nach aufsteigender Linie

(In Th. G. V. Hippel's sämmtliche Werke. Reimer 1828, S. 309 ff.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen