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Samstag, 4. Juni 2011

Gedicht der Woche: "Buch und Rose" von Friedrich Halm

Buch und Rose
An –

Ein altes Buch in pergamentnem Band,
Jahrhunderte vielleicht nicht aufgeschlagen –
Weil fremd sein Wort erklingt aus fremdem Land,
Und alte Dichter Wenigen behagen –
Ein altes Buch fiel jüngst mir in die Hände,
Und wie ich träumend seine Blätter wende,
Und Moderstäubchen wirbelnd mich umfliegen,
Seh staunend ich in seinem Schooß verdorrt,
Doch Lenzensduft noch hauchend fort und fort,
Verblichen, farblos eine Rose liegen.

Wo blühte sie? – Vielleicht am Ebrostrand? –
Denn dorther stammen Dichter, Buch und Lieder –
Vielleicht einst von Alhambra’s Marmorwand
Hing duftend sie an schwankem Zweige nieder?
Und wer sie brach? War’s eine Frauenhand,
Die flüchtend sie in dies Asyl geborgen?
Empfing ein Ritter sie als Liebespfand
am Abend, und vergaß sie hier am Morgen?

Schloß Absicht, Zufall sie in diesen Band,
Ein stummer Gruß, den Liebe gab und fand,
Ein Zeichen nur für eine Musterstelle?
Wer weiß es? – Riß des Zeitenstromes Welle
Doch alle fort in rascher dunkler Fluth,
Die einst sie pflückend sich an ihr erfreuten,
Die hier sie wahrten, oder hier verstreuten;
Nur sie in ihres Dichters treuer Huth,
Nur sie, ob auch vertrocknet und verdorrt,
Sie duftet Lenzeshauch noch fort und fort!

Ich aber sah auf Buch und Rose nieder,
Und Thränen netzten mir die Augenlider,
Und deine Züge stiegen klar und rein
Vor mir empor in hellem Strahlenschein,
Und diese Worte hallten in mir wieder:
„Hüll’ Nacht und Dunkel meinen Nahmen ein!
„Sie legte in die Blätter meines Lebens,
„In dieses Buch verlornen eitlen Strebens,
„Der Liebe frische Rose mir hinein!
„Bedecke Staub fortan den armen Band,
„Und lieg’ er unberührt, unaufgeschlagen,
„Und flieh’ der Lenz mit seinen Sonnentagen,
„Der Sie und mich einst frisch und glücklich fand,
„Wie Traum dahin im Schwall der Zeitenfluth,
„Es blüht in ihres Dichters treuer Huth
„Die Rose doch; es haucht ein Tag, ein Wort
„Mir Lenzesduft durchs ganze Leben fort.“

Friedrich Halm  (eigentlich Eligius von Münch-Bellinghausen), Gedichte, S. 247ff.

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