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Montag, 19. September 2011

Vom Raben und Fuchse

Vom Raben und Fuchse

Ein Rab hatte einen Käse gestohlen und setzte sich auf einen hohen Baum und wollte zehren.  Als er aber seiner Art nach nicht schweigen kann, wenn er isset, höret ihn ein Fuchs über dem Käse käcken und lief zu und sprach: „O Rab, nu hab ich mein Lebtag keinen schöner Vogel gesehen von Federn und Gestalt, denn du bist. Und wenn du auch so eine schöne Stimme hättest zu singen, so sollt man dich zum König krönen über alle Vögel.“ Den Raben kützelte solch Lob und Schmeicheln, fing an, wollt sein schönen Gesang hören lassen, und als er den Schnabel auftät, entfiel ihm der Käse, den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachet des törichten Rabens.

Hüt dich, wenn der Fuchs den Raben lobt, hüt dich für Schmeichlern, so schinden und schaben etc.

Martin Luther

(In Martin Luther: Sämtliche Werke. Elibron Klassiks 2006, S. 305)

Und hier Luthers Text im Original:

Vom raben und fuchse

Ein Rab hatte einen keße gestolen und satzt sich auff einen hohen bawn und wollte zeren. Als er aber seiner art nach nicht schweigen kann wenn er isset, horet yhn ein fuchs, vber den keße kecken vnd lieff zu, Vnd sprach O rab, nu hab ich mein lebtage nicht schoner vogel gesehen von feddern und gestalt, denn du bist. Vnd wenn du auch so eine schone stimme hettest zu singen, so solt man dich zum konige kronen vber aller vogel. Den Raben kützelt solch lob und schmeicheln, fieng an und wolt sein schon gesang horen lassen, Vnd als er den schnabel auffthet empfiel yhm der kese, den nam der fuchs behend, fras yn vnd lachet des torichten Rabens.

Hut dich wenn der fuchs den Raben lobt. Hut fur schmeicheln, so schinden und schaben.

(In D. Martin Luthers Werke: Abt. Schriften. Böhlau 1967, S. 444)

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