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Montag, 13. August 2012

Friedrich der Große über sein Verhältnis zu den Religionen

Ich bin gewissermaßen der Papst der Lutheraner und das kirchliche Haupt der Reformierten. Ich ernenne Prediger und fordere von ihnen nichts als Sittenreinheit und Versöhnlichkeit. Ich erteile Ehedispense und bin in diesem Punkte sehr nachsichtig, da die Ehe im Grunde nur ein bürgerlicher Vertrag ist, der gelöst werden kann, sobald beide Parteien damit einverstanden sind. Außer wenn es sich um Bruder und Schwester, Mutter und Sohn, Tochter und Vater handelt, erlaube ich nachsichtig, daß man sich nach Herzenslust heirate; denn diese Verbindungen stiften keinerlei Schaden.

Alle anderen christlichen Sekten werden in Preußen geduldet. Dem ersten, der einen Bürgerkrieg entzünden will, schließt man den Mund, und die Lehren der Neuerer werden der verdienten Lächerlichkeit preisgegeben. Ich bin neutral zwischen Rom und Genf. Will Rom sich an Genf vergreifen, so zieht es den kürzeren. Will Genf Rom unterdrücken, so wird Genf verdammt. Auf diese Weise kann ich dem religiösen Haß steuern, indem ich allen Parteien Mäßigung predige. Ich suche aber auch Einigkeit unter ihnen zu stiften, indem ich ihnen vorhalte, daß sie Mitbürger eines Staates sind und daß man einen Mann im roten Kleide ganz ebenso lieben kann wie einen, der ein graues Gewand trägt.

Ich suche gute Freundschaft mit dem Papst zu halten, um dadurch die Katholiken zu gewinnen und ihnen begreiflich zu machen, daß die Politik der Fürsten die gleiche bleibt, auch wenn die Religion, zu der sie sich bekennen, verschieden ist. Indessen rate ich der Nachwelt, dem römischen Klerus nicht zu trauen, ohne zuverlässige Beweise seiner Treue zu besitzen.

Friedrich II. König von Preußen

(Einnahmen. In Das politische Testament von 1752, S. 143)

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