Heute früh kam Deine Karte mit dem Bericht über die Gesellschaft bei Fritschs. Es hat einen Eindruck auf mich gemacht, daß Du von liebenswürdigen, beinah‘ wohlwollenden Menschen sprichst. Mancher würde darüber weglesen — ich nicht. Man denkt zunächst, „liebenswürdig ist mehr und umschließt alles“. Im letzten und höchsten ist dies auch ganz richtig. Aber die Durchschnittsliebenswürdigkeit ist ein Nichts im Vergleich zu „Wohlwollen“. Das Wort sieht nach gar nichts aus, umschließt aber eine Welt. Es gehört ganz unter die feinen Sachen, wie Demut, Reue, Vergeben – und Vergessenkönnen, Beichtbedürfnis. Aber was besitzt die Welt von diesen Extraartikeln! Immer ein Quentchen auf hundert Pfund Kommiß.
Theodor Fontane
(In Theodor Fontane's Briefe an seine Familie. F. Fontane & Co. 1905, S. 323)
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vor 5 Jahren
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