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Mittwoch, 23. November 2011

Noch mehr erste Sätze X.

Es gibt flüchtige Leser und äußerst exakte Leser. Es gibt professionelle Leser und Hobby-Leser. Es gibt Diagonal-, Quer- und Rückwärts-Leser. Es gibt Gewohnheits-Leser und Zeitvertreib-Leser. (Hektor Haarkötter, Der Bücherwurm)

Haltet die Uhren an. Vergesst die Zeit. Ich will euch Geschichten erzählen. (James Krüss, Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen)

Gebe der Himmel, daß der Leser, erkühnt und augenblicklich von grausamer Lust gepackt gleich dem, was er liest, seinen steilen und wilden Weg durch die trostlosen Sümpfe dieser finsteren und gifterfüllten Seiten finde, ohne die Richtung zu verlieren; denn wofern er nicht mit unerbittlicher Logik und einer geistigen Spannung, die wenigstens seinen Argwohn aufwiegt, an diese Lektüre geht, werden die tödlichen Emanationen dieses Buches seine Seele durchtränken wie das Wasser den Zucker. Es ist nicht gut, daß jedermann die folgenden Seiten lese; nur einzelne werden diese bittere Frucht gefahrlos genießen. (Lautréamont, Die Gesänge des Maldoror, Erster Gesang)

Dies hier ist ein erstes Kapitel, welches verhindern soll, daß vorliegendes Werkchen mit einem zweiten Kapitel beginne. (Franz Werfel, Stern der Ungeborenen, S. 11)

Es hieße diese Aufzeichnungen mit Erdichtetem beginnen, wollte ich mich anheischig machen, nach zwanzig Jahren noch an den Tag zu bringen, wer mich auf der nächtlichen Meerfahrt mit ärgerer Tücke gequält hat: der gemeine Menschenfloh in dem von einem Matrosen entliehenen Schlafsack oder der garstige Traumalb, der mich in die Nicolaas Beets Straat nach Amsterdam entführte, wo sich das Grab über einer jungen Frau geschlossen hatte, deren Todesursache ich, Doppelgänger ihres treulosen Geliebten, geworden war. (Albert Vigoleis Thelen, Die Insel des zweiten Gesichts)

Also, es fängt damit an, daß ich bei Fisch-Gosch in List auf Sylt stehe und ein Jever aus der Flasche trinke. (Christian Kracht, Faserland)

Am Anfang war eine Landschaft. Der Hintergrund ein Zypressengrün, ein schmaler Streifen vor kristallen-leuchtender Leere. Dann eine Brücke, sie führt über einen Abgrund, über eine Schlucht, einen tiefliegenden Bach. (Christoph Hein, Der fremde Freund)

Ein Leben beginnt gewöhnlich mit der Geburt – meins nicht. Zumindest weiß ich nicht, wie ich ins Leben gekommen bin. (Walter Moers, Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär)

Ich bin geboren zu York im Jahre 1632, als Kind angesehener Leute, die ursprünglich nicht aus jener Gegend  stammten. Mein Vater, ein Ausländer, aus Bremen gebürtig, hatte sich zuerst in Hull niedergelassen, war dort als Kaufmann zu hübschem Vermögen gekommen und dann, nachdem er sein Geschäft aufgegeben hatte, nach York gezogen. Hier heiratete er meine Mutter, eine geborene Robinson. Nach der geachteten Familie, welcher sie  angehörte, wurde ich Robinson Kreuznaer genannt. In England aber ist es Mode, die Worte zu verunstalten, und so heißen wir jetzt Crusoe, nennen und schreiben wir uns sogar selbst so, und diesen Namen habe ich auch von jeher unter meinen Bekannten geführt. (Daniel Defoe, Robinson Crusoe)

Ich wurde im März 1942 geboren und bekam den Namen John – nach John Harvard (Franny nannten sie Franny, weil das irgendwie zu Frank paßte). (John Irving, Hotel New Hamsphire)

Ich bin Max Schulz, unehelicher, wenn auch rein arischer Sohn der Minna Schulz ... zur Zeit meiner Geburt Dienstmädchen im Hause des jüdischen Pelzhändlers Abramowitz. (Edgar Hilsenrath, Der Nazi & der Friseur)

Mein Vater war ein Bauernsohn aus einem uralten Dorfe, welches seinen Namen von dem Alemannen erhalten hat, der zur Zeit der Landteilung seinen Spieß dort in die Erde steckte und einen Hof baute. (Gottfried Keller, Der grüne Heinrich)

An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. (Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas)

Wer sechs Roß im Stall stehen hat, ist ein Bauer und sitzt im Wirtshaus beim Bürgermeister und beim Ausschuß. Wenn er das Maul auftut und über die schlechten Zeiten und über die Steuern schimpft, gibt man acht auf ihn, und die kleinen Leute erzählen noch am andern Tag, daß gestern der Harlanger, oder wie er sonst heißt, einmal richtig seine Meinung gesagt hat. (Ludwig Thoma, Der heilige Hies)

Stattlich und feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen. (James Joyce, Ulysses)

Der Untersuchungsrichter Landesgerichtsrat Doktor Ernst Sebastian tötete die erst halb genossene Zigarre. (Franz Werfel, Der Abituriententag)

Ein heiterer Juniusnachmittag besonnte die Straßen der Residenzstadt. Der ältliche Baron Jaßfeld machte nach längerer Zeit wieder einen Besuch bei dem Maler Tillsen, und nach seinen eilfertigen Schritten zu urteilen, führte ihn diesmal ein ganz besonderes Anliegen zu ihm (Eduard Mörike, Maler Nolten)

Der Himmel über dem Hafen hatte die Farbe eines Fernsehers, der auf einen toten Kanal geschaltet war. (William Gibson, Neuromancer)

Jetzt ist schon wieder was passiert. Aber der Frühling ist eine herrliche Zeit, da gibt es Gedichte und alles, und weiß ein jeder, daß im Frühling das Leben erwacht. (Wolf Haas, Der Knochenmann)

Jetzt ist schon wieder etwas passiert. Und manchmal beneide ich die Vögel, die über dem Augarten kreisen und von der ganzen Sache nichts wissen. Weil als Vogel hast du die berühmte Perspektive, du drehst deine Parkrunden, immer schön majestätisch. (Wolf Haas, Wie die Tiere)

Jetzt ist schon wieder was passiert. Am frühen Morgen schaltet der Lift-Lois, der Liftwart, den Sessellift ein. (Wolf Haas, Auferstehung der Toten)

Jetzt ist schon wieder was passiert. Aber ein Tag, der so anfängt, kann ja nur noch schlechter werden.  (Wolf Haas, Komm, süßer Tod)

Jetzt ist schon wieder was passiert. Und ob du es glaubst oder nicht. Zur Abwechslung einmal etwas Gutes. (Wolf Haas, Das ewige Leben)

Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt, wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen. Und da sieht man, wie ein Mensch sich verändern kann. (Wolf Haas, Der Brenner und der liebe Gott)

Ich suchte nach einem ruhigen Ort zum Sterben. Jemand empfahl mir Brooklyn, und so brach ich am nächsten Morgen von Westchester aus auf, um das Terrain zu sondieren. (Paul Auster, Die Brooklyn Revue)

Heute ist der Tag, an dem ich sterbe. Offenbar versuchen eine Menge Leute, das zu verhindern, doch ich bin so gut wie tot. (Rolf Lappert, Nach Hause schwimmen)

Ich bin heute gestorben, zu meiner großen Verblüffung. Ich hatte mich allen Ernstes für unsterblich gehalten. (Adena Halpern, Die zehn besten Tage meines Lebens)

Ich starb 6840 Meter über dem Meeresspiegel am vierten Mai im Jahr des Pferdes. Der Ort meines Todes lag am Fuß einer eisgepanzerten Felsnadel, in deren Windschatten ich die Nacht überlebt hatte. Die Lufttemperatur meiner Todesstunde betrug minus 30 Grad Celsius, und ich sah, wie die Feuchtigkeit meiner letzten Atemzüge kristallisierte und als Rauch in der Morgendämmerung zerstob. (Christoph Ransmayr, Der fliegende Berg)

Vor einem Jahr kam mein Vater auf die denkbar schwerste Weise zu Schaden, er starb. (Jurek Becker, Bronsteins Kinder)

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